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03.04.2013

Leserbrief an die WELT: Schludrigkeit in Gedanken und Sprache

 
 

In der Tageszeitung DIE WELT findet sich am 30. März ein Artikel des Autors Paul Badde mit der Überschrift „Papst Franziskus geht zu Ostern neue Wege“. In einem Absatz des Artikels wird eine bemerkenswerte Schludrigkeit in Gedanken und Sprache deutlich, die nach Auffassung des Internationalen Auschwitz Komitees nicht unbeantwortet bleiben darf.
 
In dem Artikel heißt es über Papst Franziskus:
 
„Nach zwei Vorgängern aus den beiden Ländern Europas, in denen der Holocaust geplant und ausgeführt wurde, kommt er nun aus einem Land, wo er Seite an Seite mit Juden groß geworden ist.“
 
Dies impliziert, dass der Holocaust sowohl in Deutschland als auch in Polen geplant wurde – und zeigt damit einen erschreckend nachlässigen Umgang mit Geschichte, Gedanken und Sprache. Den WELT-Artikel in ganzer Länge finden Sie hier: http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article114884436/Papst-Franziskus-geht-vor-Ostern-neue-Wege.html
 
In einem Leserbrief an DIE WELT gibt Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, seiner Befürchtung über ein fatales Signal Ausdruck:


Leserbrief zum Artikel "Papst Franziskus geht zu Ostern neue Wege" von Paul Badde, Samstag 30. März 2013

"Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit Empörung und Bitterkeit wird – nicht nur in Polen – die gedankliche und sprachliche Schludrigkeit von Journalisten aufgenommen, die in ihren Artikeln von "polnischen Konzentrationslagern" sprechen, obwohl sie die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager auf polnischem Boden meinen.

Wie dünn der schöne Lack auf den deutsch-polnischen Beziehungen sein kann, beweisen uns auch immer wieder Debatten beiderseits der Grenze, wenn es um die Aufarbeitung der Geschichte geht: Sei es das Thema der Vertriebenen und die in diesem Zusammenhang betonte Opferrolle der Deutschen, sei es das Fernseh-Melodram "Unsere Mütter ,unsere Väter", das nicht nur von deutschen  Müttern und Vätern berichten , sondern auch noch die polnischen Mütter und Väter mit ihren Irrungen und Wirrungen in den gleichen Film packen musste. Einen erneuten Höhepunkt dieser gedanklichen und sprachlichen Schludrigkeit liefert der  Autor Paul Badde in seinem oben bezeichneten Artikel mit dem Satz:"Nach zwei Vorgängern aus den beiden Ländern Europas, in denen der Holocaust geplant und ausgeführt wurde,..."

Jeder Pole, aber auch jeder Überlebende des Holocaust, muss sich durch einen solchen Satz beleidigt fühlen, weil er die historischen
Zusammenhänge auf den Kopf stellt und Täter und Opfer in einen Topf wirft. Gerade in unserem Land, wo viele von der Geschichte Polens
immer noch sehr wenig wissen, ist dies ein fatales Signal.

Mit freundlichen Grüßen

Christoph Heubner
Exekutiv Vizepräsident
Internationales Auschwitz Komitee"