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04.09.2019

Zum Ausgang der Wahlen in Sachsen und Brandenburg: „Wer AfD wählt, will eine andere Republik, in der die Werte der Toleranz und Vielfalt keinen Platz mehr finden sollen.“

 
 
Christoph Heubner © Boris Buchholz

Christoph Heubner © Boris Buchholz

 

 

 

Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, kommentiert den Ausgang der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg:

„Mit Bestürzung haben Holocaust-Überlebende die Ergebnisse der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen zur Kenntnis genommen. Wenn in beiden Bundesländern – trotz offensichtlicher rechtsextremer Auswüchse und nachgewiesener Nazi-Gesinnung innerhalb des AfD-Personals – mehr als jeder fünfte Bürger in diese von Wut und Hass geprägte Richtung abgebogen ist, hat die Demokratie in Deutschland ein ernstes Problem.

Auschwitz-Überlebende jedenfalls erinnert das aktuelle Bedrohungsszenario und die ihm innewohnende Demokratie-Verachtung an Entwicklungen, die sie in ihrer Jugend am eigenen Leib erleben mussten. Für sie ist die Frage, ob die deutsche Demokratie auf Dauer gesichert ist und sich auf genügend aktive Demokraten verlassen kann, elementar geworden.

Man muss die tiefen Emotionen, die Überlebende angesichts der aktuellen Wahlergebnisse empfinden, auch als zutiefst deprimierende Erkenntnis verstehen, dass ein wachsender Teil der Wahlberechtigten in Deutschland keine persönliche Identifikation mit der Demokratie entwickelt hat und erschreckend leichtfertig bereit ist, möglichst schnell aus ihr auszusteigen und altbekannten Rezepturen aus dem Giftschrank der Geschichte zu vertrauen. Längst ist für die Überlebenden auch die Zeit vorbei, sogenannten Protestwählern ‚Artenschutz‘ zu gewähren und deren politische Entscheidung als ‚Weckruf an die Demokratie‘ zu interpretieren. Nein, wer AfD wählt, will eine andere Republik, in der die Werte der Toleranz und Vielfalt keinen Platz mehr finden sollen.

Das ist die Herausforderung. Sie ist neu und zum ersten Mal wieder grundsätzlicher Natur: Die Republik steht auf dem Prüfstand. Zu lange hat man sich darauf verlassen, die Hausaufgaben zur Aufarbeitung der Nazi-Geschichte erledigt zu haben. Doch plötzlich schleichen sich die alten Geister wieder an den deutschen Familientisch und versuchen, die rechtsextreme Deutungshoheit über die Geschichte zurückzugewinnen.

Die Überlebenden des Holocaust verlangen jetzt ein kraftvolles und mutiges gemeinsames Handeln, damit Antisemitismus und rechtsextremer Hass in Deutschland keine neue Heimat finden und Nazis in Deutschland nie mehr an die Macht kommen können.“