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12.04.2019

100 Jahre Bauhaus: "Baumeister des Massenmordes" in Auschwitz

 
 
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Auch das Studium am Bauhaus und die Begegnung mit dem künstlerischen und völkerverbindenden Anspruch der in Dessau tätigen Gründer und Lehrer schützten offensichtlich nicht davor, diese menschliche und künstlerische Haltung im späteren beruflichen Leben in ihr Gegenteil zu verkehren und das beim Bauhaus Gelernte sogar für die Verbrechen der SS in Auschwitz nutzbar werden zu lassen: So brachte es der 1908 geborene österreichische Baumeister Fritz Ertl, der von 1928 bis 1931 am Bauhaus studiert hatte, ab 1942 zum stellvertretenden Leiter der Zentralbauleitung der Waffen-SS in Auschwitz.

Schon seit dem 27. Mai 1940 hatte Ertl, der 1938 unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich in die NDSAP und die SS eingetreten war, der SS-Neubauleitung Auschwitz angehört. In Auschwitz war er einer der prägenden Architekten der zutiefst unmenschlichen und die Häftlinge verhöhnenden und demoralisierenden Lagerarchitektur. Noch heute zeugen die ursprünglich als Ställe für 52 Pferde geplanten hölzernen Unterkunftsgebäude im Lager Birkenau von seiner architektonischen Skrupellosigkeit. In diesen Gebäuden mussten zeitweise mehr als 750 Menschen vegetieren. Nachdem ihn der Auschwitz-Überlebende und damalige Generalsekretär des Internationalen Auschwitz Komitees Hermann Langbein 1961  angezeigt hatte, kam es erst 1972 vor dem Wiener Landgericht zum Prozess gegen Fritz Ertl und Walter Decajo, einen weiteren Auschwitz-Architekten. In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft werden Ertl und Dejaco genau diese architektonische Skrupellosigkeit und Menschenverachtung vorgeworfen:

"Ihre Bautätigkeit war von vorneherein auf ein kurzfristiges Vegetieren der Häftlinge ausgerichtet und stellte eine Verhöhnung der elementaren Grundsätze der Bautechnik dar. Dass sich die Beschuldigten sehr wohl bewusst waren, dass die von ihnen ohne Fenster und ausreichende Belüftung eng nebeneinander liegenden Baracken keinen ausreichenden Lebensraum für Menschen boten, ersieht man aus ihrem Bemühen, die für die Wachhunde und Kühe bestimmten Baracken, durch entsprechende Belüftung zu verbessern, um eine gesunde Haltung der Tiere zu gewährleisten." Dennoch wurden Ertl und Dejaco nach einem wenig beachteten Prozess am 10. März 1972 in Wien in völliger Verkennung der Realitäten von Auschwitz und Birkenau freigesprochen, weil sie nicht die "Urheber der Gaskammern" gewesen seien.

Einen ganz anderen Weg ging der 1907 in Leipzig geborene Architekt und Freie Gestalter Franz Ehrlich, der in gemeinsamer Zeit mit Fritz Ertl von 1927 bis 1930 am Bauhaus studiert hatte. Als Angehöriger des kommunistischen Widerstandes wurde er 1934 von den Nazis verhaftet und ab 1937 im KZ-Buchenwald inhaftiert, wo er für die SS-Bauleitung arbeiten musste: Als Werk eines freien Geistes und als markantes Signal des Widerstandes gilt bis heute das von Franz Ehrlich heimlich in Anlehnung an die Schrift des unter Nazis verbotenen Bauhauses entworfene und ins Lagerinnere gerichtete Schild "Jedem das Seine.“ Es sollte nach dem Willen der SS die leidenden Häftlinge noch zusätzlich verhöhnen. Gerade deshalb schuf Franz Ehrlich mit dem 1m breiten und 15 kg schweren heimlich verwandten Bauhaus-Schild am Lagertor ein deutliches und mutiges Signal, in dem er die Nazis verhöhnte und auf ein Ende für die Torturen der Häftlinge hoffte.

Hierzu betonte während eines Aufenthaltes in der Gedenkstätte Auschwitz Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees:

"Die  Lebenswege von Fritz Ertl und Franz Ehrlich erzählen jungen Menschen, die heute Gedenkstätten besuchen, viel über Opportunismus, Skrupellosigkeit und Gier nach Karriere auf der einen und von Haltung, Menschlichkeit und Mitgefühl auf der anderen Seite. Mit seinem erlernten beruflichen Wissen kann man KZ´s bauen oder menschliches Zusammenleben gestalten, das ist die Botschaft aus diesen beiden Leben. Die Entscheidung liegt bei jedem selbst."