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Kazimierz Albin erhielt die Häftlingsnummer 118 – er floh aus Auschwitz und schloss sich dem Untergrund an (© Boris Buchholz)
Kazimierz Albin erhielt die Häftlingsnummer 118 – er floh aus Auschwitz und schloss sich dem Untergrund an (© Boris Buchholz) 
 

80. Jahrestag des ersten Transportes nach Auschwitz

"Schlimmer, kann es nicht werden“, dachte Kazimierz Albin. Doch er irrte – er war einer der ersten Häftlinge in Auschwitz

Kazimierz Albin war immer in Bewegung, als Mitglied des Präsidiums des Internationalen Auschwitz Komitees, das die ehemaligen Häftlinge vertritt, als Mitglied des Auschwitz-Rates, der über die Belange der Gedenkstätte von Auschwitz entscheidet, in Treffen mit anderen ehemaligen Häftlingen und vor allem als Zeitzeuge. Diese Aufgabe gewann, je älter er wurde, eine immer größere Bedeutung. Vor allem die Treffen mit Jugendlichen waren ihm wichtig. Er suchte die Begegnung mit ihnen, besonders die mit deutschen Jugendlichen. Er hatte ihn viel zu erzählen nach einem langen Leben: Kazimierz Albin wurde 96 Jahre alt und war einer der ersten Häftlinge von Auschwitz: die Nummer 118 von später einmal einer Million.

Immer in Bewegung, das war er wohl auch als junger Mann: im Sport und bei den Pfadfindern. Als 1939 der Krieg mit dem nationalsozialistischen Deutschland näher rückte, war für ihn klar, dass er kämpfen würde. Und als dieser erste Krieg innerhalb von zwei Wochen in der Besatzung durch die Deutschen endete, wollte er weiterkämpfen und sich der polnischen Armee in Frankreich anschließen. Er wurde verraten und zusammen mit seinem Bruder in der Slowakei verhaftet. Während der ersten Verhöre wurden beide schrecklich geschlagen. Schließlich kamen sie in das Polizeigefängnis von Nowy Sacz, in eine enge Zelle, die sie kaum verlassen konnten. „Was mich gerettet hat, waren meine Mithäftlinge, ich war doch der jüngste, und ich konnte von allen lernen. Das war mein Glück, dass ich mit so gelehrten Menschen mit so einer hohen Moral zusammen war.“

Aber der Aufenthalt in der engen Zelle ohne Bewegung fiel ihm dennoch immer schwerer, so schwer, dass er sogar an Selbstmord dachte. Als er und seine Kollegen dann nach Tarnow und schließlich nach Auschwitz verlegt wurden – es war der erste Transport überhaupt dorthin –, war Albin voller Hoffnung. Schlimmer, so dachte er, konnte es nicht werden.

Die Ankunft dort belehrte ihn schnell eines Besseren. In den ersten drei Wochen in der sogenannten Quarantäne erlebten die Häftlinge aus Tarnow unendliche Demütigungen und Prügelorgien durch ihre Bewacher. Einen anderen Weg aus Auschwitz als durch den Schornstein, werde es für sie nicht geben, hatte ihnen der Hauptsturmscharführer Fritsch am ersten Tag gesagt. Dies erfüllte sich jetzt für die ersten Häftlinge.

Als sie dann zur Arbeit eingeteilt wurden und die Lebensumstände der Häftlinge genauso unmenschlich blieben, wurde Albin bewusst, dass er so nicht lange durchhalten würde. Sein großes Glück: Er beherrschte Deutsch. So wurde er zum Putzen der Stuben der deutschen Kapos eingeteilt: Berufskriminelle, die anderen Häftlinge im Auftrag der SS tyrannisierten. Aber Albin erledigte seine Aufgabe, ihren Block sauber zu halten, zu ihrer Zufriedenheit.

„Es heißt, derjenige, der stark war, hatte die besten Überlebenschancen, aber ich glaube, wichtiger war, klug zu sein, im gegeben Moment richtig zu reagieren, und Wissen, das hat geholfen.“ Albin hatte diese Fähigkeit zu beobachten und im richtigen Moment zu reagieren. Sie brachte ihn schließlich in die SS-Kantine, wo er mit anderen Häftlingen zusammen Lebensmittel für das Lager abzweigen konnte, die dann die Widerstandsorganisationen an die anderen Häftlingen verteilten. Nach fast drei Jahren in Auschwitz, trotz seiner in Anführung privilegierten Situation, konnte und wollte er nicht mehr: „Ich habe meinen 18., 19. und 20. Geburtstag in Auschwitz erlebt. Das reichte.“ Er wagte die Flucht und schloss sich der polnischen Heimatarmee an.

Im Untergrund wurde er zum Offizier ausgebildet. Er hatte verschiedene Aufgaben: Unter anderem Waffen zu beschaffen, aber er nahm auch an der Liquidation von Verrätern teil. Er bedauert das nicht: „Ich hatte Tausende von Toten gesehen. Ein Leben bedeutete mir nichts. Und diese Menschen haben den Tod von anderen verursacht und hätten es weiter getan. Stolz bin ich darauf, dass ich ein einziges Todesurteil nicht ausgeführt habe, weil es ungerecht war.“

Nach dem Krieg hat Albin ein bürgerliches Leben geführt, als Konstrukteur von Flugzeugen. Doch je älter er wurde, desto mehr hat er sich in den Auschwitz-Gremien organisiert. Warum? „Auschwitz, das verbinden alle mit dem Holocaust, mit der Vernichtung der Juden. Aber die Geschichte von Auschwitz, ist viel länger. Wir die ersten Häftlinge haben alles von Anfang erlebt und wir wollen nicht, dass unsere Geschichte vergessen wird.“

Als der Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees Noach Flug Kazimierz Albin kennen lernte, hat er ihn sofort eingeladen, Mitglied des Präsidiums zu werden. Alle anderen ehemaligen Häftlinge im Präsidium sind Juden. Es war, so der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees Christoph Heubner, „eine wichtige Geste, das Leiden und das Heldentum der Polen in Auschwitz anzuerkennen.“ Albin war einer von ihnen.

 

Text: Ingrid Heinisch