70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz-Birkenau
Auftrag für die Zukunft an lebende und künftige Generationen
Was bleibt vom Gedenken zum 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau?
Der Besuch von Auschwitz-Überlebenden beim Papst. Sie überreichten ihm die Gabe der Erinnerung – das auf dem Kopf gestellte „B“ aus der widerwärtigen Inschrift „Arbeit macht frei“ in Auschwitz.
Es bleibt die emotional überwältigende Veranstaltung am 26. Januar in der Urania in Berlin mit Kanzlerin Angela Merkel und den bewegenden Reden der Überlebenden Eva Fahidi und Marian Turski. Und den berührenden Erlebnisberichten junger Menschen, die in den Gedenkstätten Auschwitz und Birkenau mitgeholfen haben, die Orte des Erinnerns zu bewahren: Die Auszubildende Sarah Nonnenmacher von VW aus Deutschland, die polnische Berufsschülerin Alexandra Waluch und der junge israelische Pädagoge Joshua Weiner.
Die Gedenkveranstaltung in Berlin: Eine sehr bewusste, eine sehr politische Entscheidung der Auschwitz-Überlebenden. Sie wollten in der Stadt des Holocausts gedenken, in der die Nazis den Völkermord kalten Verstandes beschlossen, perfide organisiert und menschenverachtend befehligt hatten. Die Erinnerung derer, die überlebt haben, einerseits - und der Blick in die Zukunft durch junge Menschen und ihr Engagement, damit sich dieser Schrecken nicht wiederholt. Den Überlebenden lagen beide Aspekte am Herzen.
Das internationale Treffen von Überlebenden und Politikern in Auschwitz-Birkenau. Mit den eindringlichen Worten von Roman Kent, Überlebender und Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, und Kazimierz Albin, der nach seiner Flucht aus dem Lager Auschwitz in Krakau half, den Widerstand gegen die Nazis zu organisieren. Die Worte dieser beiden Männer streiften die Seelen der Gäste am Jahrestag in Auschwitz und die aller Zuschauer weltweit, die Berichte über diesen Tag sahen.
Und doch: Ein Erinnerungstag, der von aktuellen Nachrichten längst überschwemmt ist wie Felssteine am Ufer von ständig neuen Wellen des Meeres. Der Tag ist vergänglich, die Reden hallen nach, weil sie aufgeschrieben und immer wieder zu lesen sind. Die Gesten bleiben im Gedächtnis.
Die globale Aufmerksamkeit, die dieser 70. Jahrestag erfuhr, war mehr als Erinnerung und Gedenken, es war gleichzeitig auch der Auftrag für die Zukunft an lebende und künftige Generationen.
Mit diesem Gedenktag darf und wird das Erinnern an Auschwitz, an das Leiden und Morden, nicht abgehakt sein. Noch immer können Überlebende vom Grauen berichten. Ihre Stimmen werden schwächer und eines Tages verstummt sein. Die Aufgabe aller, die sich für das Bewahren dieser Erinnerung einsetzen, ist jetzt und in der Zukunft, eine gewaltige. Nichts darf vergessen werden. Kein einziger Name aus dem Buch des Grauens, das in der israelischen Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz überwältigend dargestellt ist, darf aus der Erinnerung gelöscht werden. Kein einziges ermordetes Leben vergessen werden. Dieses Buch kann niemals endgültig gelesen, zugeklappt und beiseite gelegt werden.
Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Hass und Gewalt müssen jeden Tag und überall angeprangert werden. Farbbeutel, die gegen Asylantenheime fliegen, politische und gesellschaftliche Ausgrenzung bis hin zu massiven Angriffen auf Gesundheit und Leben – nicht eine dieser menschenverachtenden Aktionen darf hingenommen und selbstverständlich werden. Es gibt auf der ganzen Welt keine Tagesordnung, zu der angesichts solcher Bedrohungen einfach übergegangen werden kann.
Nach siebzig Jahren ist nicht einmal ein Bruchteil derjenigen zur Verantwortung gezogen worden, die Morde angeordnet, begangen oder im Räderwerk der Mord-Maschinerie mitgewirkt haben. Viel zu lange hat die juristische Tatenlosigkeit Gerechtigkeit verhindert. Jeder Täter, der erst heute vor Gericht kommt, bleibt dennoch ein Täter, der zur Verantwortung gezogen werden muss.
In allen Ländern sind Politiker aufgerufen, wachsam zu bleiben und jene zu schützen, die Ausgrenzung und blinde Wut ertragen müssen.
In allen Ländern auch ist es die Jugend, an die das Erinnern weitergegeben werden muss. Eine Gesellschaft, die das Erinnern vergisst, droht ihre Zukunft zu zerbrechen.
Inhalt
70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz
- 26. Januar 2015: Gedenkveranstaltung der Überlebenden mit Bundeskanzlerin Angela Merkel |
Bericht, Reden, Bilder, das Lied Mehr lesen - 22. Januar 2015: Ausstellungseröffnung von "Vergiss Deinen Namen nicht – Die Kinder von Auschwitz" |
Bericht und Bilder Mehr lesen - 7. Januar 2015: Überlebende ehren Papst Franziskus mit dem "B" Mehr lesen
- Veranstaltungen des Internationalen Auschwitz Komitees im Überblick Mehr lesen
- "Wo war der Mensch?" | Christoph Heubner im Interview mit der Zeitschrift "kontinente" Mehr lesen
- Chronologie der Befreiung | Auschwitz war nicht das erste und nicht das letzte KZ, das befreit wurde Mehr lesen
- Zitate zu Auschwitz Mehr lesen
- Biographien des Widerstands Mehr lesen
- Die Todesmärsche Mehr lesen
Foto ganz oben: Eine Gruppe Juden aus Ungarn nach der Ankunft in Auschwitz im Sommer 1944
© Bundesarchiv, Bild 183-N0827-318 / CC-BY-SA